Habt ihr euch eigentlich im Verlauf der Diskussion mal geeinigt, was man überhaupt konkret unter "Telepathie" zu verstehen hat? Ich denke, das wäre schon recht wichtig, um einigermassen vernünftig darüber diskutieren zu können, denn das Problem an Begriffen wie Telepathie ist oft, dass man sich in einem schwammigen Umfeld möglicher Definitionen befindet, was schnell mal zu Missverständnissen führt.
1.) Beispielsweise wird Telepathie gern mal mit "
Gedankenlesen" übersetzt.
Nun hab ich im Fernseh schon öfter "Gedankenleser" gesehen, welche nach eigenen Aussagen die Gedanken anderer Leute anhand feinster Körperbewegungen oder Mimiken lesen, bzw. interpretieren können.
Prinzipiell ist das ja eigentlich gedankenlesen im wahrsten Sinne des Wortes, denn man liest direkt am Verhalten eines Menschen ab, was er (wahrscheinlich/annäherungsweise) denkt. Manche können das besser, manche schlechter, aber mit Telepathie im Sinne unbekannter Informationsübertragung hat das nicht allzuviel zu tun.
2.) Den
Fall, wo ein
Zufallsgenerator möglicherweise durch Gedanken beeinflusst werden kann, würde ich persönlich wiederum fast eher in die Rubrik "Psychokinese" einordnen, wobei man sich darüber ebenfalls streiten könnte, aber als Telepathie im Sinne von Wikipedia:
"Telepathie ist eine Bezeichnung für Übertragungen von Informationen zwischen Lebewesen ohne Beteiligung bekannter Sinneskanäle beziehungsweise bekannter physikalischer Wechselwirkungen."
würde ich es jedenfalls nicht bezeichnen, da der Zufallsgenerator einerseits kein Lebewesen ist und andererseits nicht wirklich eine Informationsübertragung (im Sinne eines Gedankenaustauschs) sondern vielmehr eine mechanische oder elektronische Beeinflussung stattfindet.
Da das Experiment an sich aber durchaus interessant ist, hier noch kurz
meine Meinung dazu:
Würde es mir gelingen einen Zusammenhang zwischen Gedanken und Zufallsergebnissen festzustellen und den Versuch unter annähernd identischen Bedingungen beliebig oft zu wiederholen, würde ich diese beeindruckende Anomalie nicht dazu verwenden, irgendetwas beweisen zu wollen, solange ich den zugrundeliegenden Mechanismus nicht kenne.
Denn sonst würde ich ein weiteres Prinzip der Beweisführung verletzen, nämlich das der
Kausalität, und das Versuchsergebnis damit ungewollt abwerten.
Das heisst: solange ich nicht weiss, wie und wieso der Gedanke und das Zufallsergebnis übereinstimmen, kann ich auch nicht sagen, das geschehe aufgrund von Telepathie oder aufgrund von Telekinese oder weil unsere Gedanken elektromagnetische Impulse erzeugen, welche mit der Elektronik des Generators interagieren.
Anderes Beispiel: Ich beobachte, dass die Sonne periodisch auf der einen Seite der Erde auftaucht und auf der anderen wieder verschwindet. Heutzutage wäre es aber fatal, wenn ich aufgrund dieser Beobachtung behaupten würde: "Ha schaut, das beweist den Geozentrismus!" (= Sonne dreht sich um Erde). Lustigerweise könnte ich damit nochnichtmal das offensichtlich Richtige beweisen, nämlich dass sich die Erde um die Sonne dreht. Der dabei fehlende kausale Zusammenhang wird offensichtlich, wenn man bedenkt, dass das tägliche Auftauchen und Verschwinden der Sonne in allererster Linie von der Eigenrotation der Erde abhängt und nicht von deren Bewegung um die Sonne.
Besser wäre es also (ohne jegliche Vorurteile) den zugrundeliegenden
Mechanismus näher zu untersuchen. Dazu verändert man am besten die Versuchsbedingungen und schaut mal, von welchen Parametern das Ergebnis abhängt. Das sind zunächst banale Dinge wie Auswechslung der Versuchsperson oder des Generators, dann könnte man den Parameter "Distanz" untersuchen und sehen, ob sich etwas verändert, wenn sich der Generator in einem anderen Zimmer, in ein paar Kilometern Entfernung oder auf der anderen Seite der Erde befindet. Luft als mögliches Medium könnte man z.B. untersuchen, in dem man den Generator in eine Vakuum Box steckt etc.
Schliesslich würde ich sogar den Menschen durch einen Schimpansen ersetzen und ihm beibringen, dass er für das Zufallsergebnis "Rot" belohnt wird, für "Blau" aber nicht und dann sehen, ob sich was tut. Falls ja, wäre das ein mögliches Indiz dafür, dass sich das Phänomen nicht nur auf Menschen beschränkt. Der Umgekehrte Fall liesse sich hingegen nicht schlussfolgern.
3.) Von besonderem Interesse für mich -
das Schwarmverhalten von Tieren:
Bei grossen Herden wie Gnus oder Zebras scheint die Synchronität und Koordination der Bewegung noch recht einfach erklärbar zu sein und beruht wohl unteranderem vorallem auch auf einem Mittelding aus elastischen und inelastischen Stössen (

welch elegante Umschreibung für: Haut mich der von Links, hau ich den Rechts von mir und wenn sich einer der allgemein eingeschlagenen Bewegungsrichtung widersetzt, wird er überrannt).
Bei Fischschwärmen kommt erschwerend eine dritte Dimension dazu, oberflächlich betrachtet scheint das Stossprinzip aber immer noch zumindest plausibel zu sein.
Schwieriger wird es bei Vogel- und Insektenschwärmen. Neben den 3 Dimensionen wirkt sich nun auch noch der Einfluss der Schwerkraft stärker aus und ausserdem sind Flügel im Vergleich zum Körper eine recht filigrane Sache. Gröbere Stösse könnten hier also schon relativ schnell zu fatalen Folgen führen.
Suchen wir also nach anderen,
denkbaren Erklärungsansätzen:
Zunächst mal sei daran erinnert, dass Tiere jenachdem sehr
erstaunliche Sinnesleistungen vollbringen können. Man denke nur mal an das Ultraschallsystem von Fledermäusen, oder an die Fähigkeit mancher Schlangen Infrarotstrahlung wahr zu nehmen, manche Vögel sehen dagegen im Ultraviolettbereich, ausserdem befindet sich im Schnabel von Vögeln ein Organ mit welchem sie das Erdmagnetfeld wahrnehmen und sich orientieren können und Fische, insbesondere aber auch Haie besitzen ein sogenanntes Seitenlinienorgan (auch Ferntastsinn genannt) mit dem sie feinste Bewegungen in ihrer Umwelt wahrnehemn und blitzschnell darauf reagieren können.
Solche Beispiele besonderer Sinnesleistungen gibt es viele und ich könnte mir vorstellen, dass wir noch längst nicht alle kennen.
Das Schwarmverhalten selbst bei Vögeln könnte ich mir jedenfalls daher aufgrund solcher erstaunlichen Sinnesleistungen (welche nicht als Telepathie zu werten wären) vorstellen. Im Prinzip braucht ja jeder Vogel nur gerademal die Sinnesreize in seiner unmittelbaren Umgebung zu verarbeiten und darauf zu reagieren, also nur auf seine nächsten Nachbaren zu achten. Das Prinzip der Kettenreaktion erledigt dann den Rest.
Dementgegen wäre es ja fatal, wenn ein Vogel aus der Mitte die selben Reaktions-Reize wahrnehem würde, wie der Vogel ganz vorne an der Spitze des Schwarmes.
Das führt mich gleich zur nächsten, denkbaren Möglichkeit der
Telepathie.
Interpretieren wir Telepathie als Informationsaustausch ohne Abhängigkeit eines Übertragungsmediums und damit quasi auch unabhängig von Distanz und Zeit (=> sobald A etwas denkt, denkt B zeitgleich das Selbe), oder anders gesagt als eine mentale Verknüpfung zwischen verschiedenen Individuen, dann stellen sich uns je nach Fall verschiedene Probleme:
1.) Angenommen jedes Mitglied im Schwarm sei mit jedem anderem Mitglied mental Verbunden und jedes Mitglied sei in der Reizübertragung gleichberechtigt, d.h. jedes Mitglied sendet seine wahrgenommenen Umweltreize an alle anderen weiter und empfängt im Gegenzug auch die Reize von allen anderen. Man stelle sich nur mal die riesige und teils widersprüchliche Reizüberflutung vor, die dann auf das einzelne Individuum einwirkt, selbst wenn nur gerademal die allerwichtigsten Bewegungsreize übertragen werden würden.
2.) Angenommen es gäbe einen "mentalen Anführer" der als einziger seine Reize an die anderen verschickt und quasi das Denken für alle übernimmt. Abgesehen davon, dass dann wirklich jedes Mitglied im Schwarm zeitgleich (oder zeitverzögert, wenn man die Definitionsbedingungen etwas lockert) exakt die selbe Bewegung ausführen, was offensichtlich nicht der Fall ist, wenn man sich Schwärme ansieht, hätte das auch wieder fatale Folgen, da z.B. die Situation für den hintersten Vogel ganz anders aussehen kann als für die des Vordersten.
3.) Quasi als Kombination von Beidem, könnte man sich ein einzelnes, riesiges Kollektivbewusstsein vorstellen, welches unabhängig vom einzelen Individuum existiert. Der Schwarm würde dadurch zu einem einzigen Körper, der von einem zentralen Bewusstsein aus gesteuert wird.
Fragt sich aber, woher dieses Bewusstsein seine Reize her nimmt um seinen Körper steuern zu können. Unser Gehirn stützt sich dabei im wesentlichen auf zwei Augen, zwei Ohren, eine Nase, eine Zunge und die Haut. Will das Schwarmbewusstsein hingegen seine Reizaufnahme auf zehntausende Augen, zehntausende Ohren etc. stützen welche zudem alle jeweils zeitgleich etwas anderes sehen oder hören, landen wir wieder bei der Reizüberflutung. Stützt es seine Wahrnehmung hingegen nur auf ein paar wenige Individuen, fehlen wiederum die nötigen Positions- und Situationsinformationen für die anderen.
4.) Deutlich wird also, dass mich als Schwarmmitglied die Reize und Gedanken anderer Schwarmmitglieder gar nicht interessieren. Selbst die Reizwahrnehmung/Gedanken meines direkten Nachbarn sind nicht wirklich von Interesse für mich.
Dazu ein vereinfachtes Beispiel: Drei Vögel fliegen direkt nebeneinander. Der mittlere Vogel hat plötzlich eine dünne Fahnenstange vor sich und entscheidet sich nach links auszuweichen (Reiz-Gedanke-Aktion). Für seinen linken Nachbarn wäre es nun noch durchaus von Vorteil den selben Reiz-Gedanken-Aktions-Prozess durchzumachen um eine Kollision mit dem herannahenden Nachbarn zu vermeiden. Für seinen rechten Nachbarn wäre es dagegen offensichtlich fatal, wenn er dann selbst in der Stange landet.
Zusammengefasst ist es wohl auch für ein Schwarmmitgleid von grossem Vorteil, auf seine eigene Reizwahrnehmung zu vertrauen, womit wir wieder bei der These erstaunlicher, individueller Sinneswahrnehmung wären.
Soweit meine persönlichen Überlegungen zum Thema. Kann mich natürlich täuschen.
